Die Umwandlung der Industriegesellschaft in eine Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft hat dazu geführt, dass wir durchschnittlich meist im Büro täglich bis zu 10 Stunden sitzen.
In Deutschland existieren derzeit mehr als 24 Millionen Bildschirmarbeitsplätze. Durch zunehmende Globalisierung, insbesondere Industrie 4.0, wird diese Anzahl in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen.
Bei dem starren Sitzen ist das klassische Sitzhaltungsbild hierbei der typische Rundrücken, aus dem sekundär eine zwanghafte Überstreckung der Halswirbelsäule mit dem typischen muskulären Fehlgleichgewicht am Hals-Nacken-Übergang resultiert.
Einfacher Holzhocker ohne Rückenlehne
Die Muskelverkürzungen irritieren die austretenden Halsnerven und führen aus osteopathischer Sicht durch Anspannungen der innervierten Muskelketten zu Ansatzsehnenreizungen wie z.B. der oft auftretende Tennisarm. Atlasblockierungen bewirken Kreuzdarmblockierungen Beckenverwringungen bei variabler Beinlängendifferenz. Es kommt hierdurch zu statischen thorakolumbalskoliotische Fehlhalungen mit Inkongruenz der kleinen Wirbelgelenke.
Außerdem kommt es durch das starre Sitzen zu verminderter Darmperistaltik, was aus naturheilkundlicher Sicht zu Dickdarmdysbiose mit Leberüberlastung und schließlich zu Wirbelsäulenblockierungen führt.
Zusätzlich werden bei der ständigen Sitzhaltung, die biomechanisch zu einer erhöhten Krafteinleitung in die Wirbelsäule beiträgt, die Bandscheiben vor allem im Bereich der besonders sensiblen Lendenwirbelsäule fehlbelastet.
Untersuchungen zeigten, dass 72% der an Bildschirmarbeitsplätzen tätigen Mitarbeiter über lästige körperliche Beschwerden klagen.
Durch die Konstruktion neuer, moderner, ergonomisch geeigneter Bürostühle lassen sich diese Überlastungsschäden vorbeugen oder sogar bekämpfen. Der optimale Bürostuhl sollte das dynamisch bewegte oder auch lebendige Sitzen fördern. Das starre und lang anhaltende statische Sitzen führt zu den oben beschriebenen Beschwerden.
Die Generallösung der Sitzprobleme besteht also in einem dynamischen Sitzen.
Ein individuell angepasster Bürostuhl soll die Wirbelsäule stützen und vor allem wechselnde Arbeitshaltungen ermöglichen.
Chesterfield-Schreibtischstuhl aus dem vorletzten Jahrhundert
An einen idealen ergonomischen Arbeitsstuhl sind folgende Anforderungen zu stellen:
– Synchronverstellung von Sitzfläche und Rückenlehne, hierbei kann der Öffnungswinkel zwischen Sitz und Rückenlehne verändert werden.
– Anlehndruck an der Rückenlehne muß individuell regulierbar sein oder sich sogar automatisch auf die Bedürfnisse einstellen.
– Rückenlehne muß eine ausgewogene Unterstützung ermöglichen.
– Öffnungswinkel zwischen Rückenlehne und Sitzfläche muss unter Krafteinwirkung 90 Grad überschreiten und mindestens 110 Grad betragen.
– Um die natürliche Form der Wirbelsäule auch beim Sitzen zu erhalten, muss die Lendenwirbelsäulenstütze individuell korrekt eingestellt werden können oder sich sogar automatisch anpassen.
– Individuell einstellbare Sitzflächentiefe, zwischen Kniegelenk und Sitzvorderkante sollte ein 3 Querfinger breiter Raum frei sein.
– Bei Stühlen mit großem Öffnungswinkel muß eine ausreichende Rückenlehnhöhe mit verstellbarer Nackenstütze eingebaut werden.
– Verstellbare Armlehnen, da diese diese die Schultergürtelmuskulatur entlasten und ein leichteres Aufstehen ermöglichen.
Moderner Bürostuhl
Moderne ergonomisch optimierte Bürostühle sind heute mit einer Sitz- und Rückenlehne mit Synchronmechanik ausgestattet.
Hierdurch wird eine simultane Rückwärtsbewegung der Rückenlehne mit einer darauf abgestimmten Neigung der Sitzfläche nach hinten ermöglicht.
Der Stuhl folgt somit den Körperbewegungen automatisch.
In den letzten Jahren erfolgten weitere Neuentwicklungen:
– Free Float – Funktion:
Sitzfläche und Rückenlehne folgen unabhängig voneinander den Bewegungen des Sitzenden. Der aktive Sitz passt sich dem Wechsel der Sitzposition an und zielt darauf ab, den Sitzenden zur ständigen Bewegung anzuhalten. Die Sitzfläche ist beweglich und erhält in allen Positionen die Beweglichkeit der Wirbelsäule und des Beckenkamms. Durch Knopfdruck ist ein Wechsel zwischen Freefloat-Feeling und Synchronmechanik möglich.
– similar-swing-Sitz- Konzept:
Es fördert das intuitive Bewegungsverhalten, da der Sitzschale eine kontrollierte seitliche Flexibilität ermöglicht wird und sich so auch das Becken zur Seite neigen kann.Dies räumt dem Körper somit alle Bewegungsfreiräume ein und nutzt zugleich das natürliche Körpergefühl, sich selbst zu stabilisieren. Der Körper erkennt die Bewegungsanreize und nimmt sie, wie selbstverständlich, ohne sie als störend zu empfinden, auf.
– 3D – Sitzmöbel:
Das Prinzip beruht auf dem Sitzen in 3 Dimensionen. Das Konzept wurde ursprünglich als Aktiv-Hocker ohne Lehne entwickelt und schließlich mit einer physiologisch geformten Lehne erweitert, die sich sich ergonomisch und komfortabel jeder Rückenform anpasst.
Auf derartigen Stühlen ist das bewegte Sitzen nicht nur zur Seite, nach vorne und nach hinten möglich, sie lassen auch vertikales Schwingen zu.
Es muß daher ständig ein dynamisches Gleichgewicht eingehalten werden, was die wichtigen, kleinen Wirbelsäulenmuskeln kräftigt, die die Wirbelsäule stabilisieren. Der Sitzende ist somit durch Kräftigung der feinen wirbelsäulennahen Muskulatur ständig bei der Arbeit am trainieren. Der Stuhl passt sich permanent den Bewegungen des Sitzenden an, der Rücken bleibt so immer aufrecht.
Es handelt sich quasi nicht allein um eine reine Sitzgelegenheit, sondern tatsächlich um ein aktives Trainingsgerät, das das sensomotorische System ständig aktiviert. Dies stellt aus orthopädischer und biomechanischer Sicht die beste Prophylaxe gegen Rückenbeschwerden dar.